Folge 2: Die Zukunftsbauer
Shownotes
Von Kathrin und Martin erfahrt ihr in dieser Folge, warum ein Job in der Landwirtschaft zwar fordert, sich für die beiden aber oft gar nicht nach Arbeit anfühlt, warum Landwirtschaft ein echter Zukunftsberuf ist und wie ihr auch ohne eigenen Hof Landwirtin oder Landwirt werden könnt.
Das Gespräch führt Heike Zeller.
Unsere Gäste: Kathrin Schlickenrieder, Landwirtin aus Otterfing Martin Stiegler, Landwirt aus Cadolzburg, CERES-AWARD-Gewinner Landwirt des Jahres 2023
Wie kannst du Landwirt/in werden? Hier bekommst du weitere Infos: https://www.stmelf.bayern.de/bildung/agrarbereich/landwirt-landwirtin/index.html
Erfahre mehr über Martins Betrieb: https://www.franken-genuss.com/
Erlebe Kathrins Alltag als Landwirtin auf Instagram: kathrinvodahoam (Link: https://www.instagram.com/kathrinvodahoam?igsh=MTF5bjcwYnAzZXpreQ==)
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Land.Schafft.Bayern – Der Podcast mit Menschen, die Bayern bewegen
Folge 02: Die Zukunftsbauer – Berufe in der Landwirtschaft
Moderation: Heike ZellerGäste: Kathrin Schlickenrieder, Martin Stiegler
Dauer: 45 Minuten
Transkript
Kathrin Schlickenrieder:
Warum werdet ihr nicht Landwirtin? Warum werdet ihr nicht Landwirt?
Macht es.
Martin Stiegler:
Ich denke, keine Branche ist innovativer und anpassungsfreudiger auch, weil wir mit so vielen äußeren Faktoren, mit der Witterung, dem Klimawandel und dem allen klarkommen müssen.
Kathrin Schlickenrieder:
Das ist einfach mein Leben. Ich sehe es als Privileg, dass ich das machen darf.
Martin Stiegler:
Für mich ist das die völlige Erfüllung, meine Leidenschaft und die Natur in Einklang zu bringen.
Intro:
Land.Schafft.Bayern –Der Podcast mit Menschen, die Bayern bewegen.
Heike Zeller:
Herzlich willkommen zu unserem Podcast, heute wieder aus dem Landwirtschaftsministerium in München. Zu einem Thema, das ganz nah am Titel der ganzen Podcastreihe ist, nämlich „Land.Schafft.Bayern“ heißt die Reihe, und heute geht es um die Landwirtschaft als einen der grünen Berufe.
Ich bin Heike Zeller und ich sitze hier mit zwei tollen Gästen, die ich gleich begrüßen werde.
Und wenn ihr uns auch nur zuhört, dann habt ihr auch die Möglichkeit, auf YouTube rüber zu schauen auf den Kanal des Ministeriums „Land.Schafft.Bayern“. Da könnt ihr uns auch sehen. Und es lohnt sich auch, denn unsere Gäste haben auch etwas mitgebracht.
Wer bist du, was machst du und was hast du uns mitgebracht?
Kathrin Schlickenrieder:
Ich bin Kathrin Schlickenrieder. Ich bin gelernte Landwirtin aus Otterfing und ich habe euch ein Klauenpflegemaß mitgebracht. Das ist der Klauen-Check. Der schaut ein bisschen aus wie Pac-Man. Damit schaue ich einfach, stimmt der Winkel, die Hohlkehlung und die Höhe meiner Klauen. Das ist etwas, was ich jede Woche brauche, weil ich in meiner Arbeit auch viel Klauenpflege mache.
Deswegen habe ich euch das mitgebracht.
Heike Zeller:
Dann gibt’s die Pediküre.
Wer bist du und was hast du uns mitgebracht?
Martin Stiegler:
Ich bin Martin Stiegler, bin ebenfalls Landwirt. Wir haben einen sehr kleinstrukturierten Betrieb, haben Pferdepensionshaltung, Ackerbau und Hühnerhaltung. Und vor allem haben wir uns der Haselnuss verschrieben, einer Sonderkultur mit zehn Hektar.
Darum habe ich auch eine Beregnungsdüse mitgebracht. Die beschäftigt uns zwei Drittel des Jahres. Sowohl bei Frostereignissen bewässern wir, als auch bei Trockenheitsperioden.
Heike Zeller:
Wie man hört, du kommst aus Franken und da ist ja das Thema Wassermanagement ein Riesenthema, auch insgesamt in der Landwirtschaft.
Wie kann ich mir das vorstellen, wenn du sagst „auch bei Frost“? Ich kenne das aus Südtirol und von Obstplantagen, dass man da auch beregnet, wenn der Frost kommt, ist das das Gleiche bei Haselnüssen?
Martin Stiegler:
Das ist ähnlich, nur dass wir nicht die Fruchtansätze besprühen und einen Frostmantel drum herum machen, sondern wir setzen die Fläche unter Wasser. Der Frost möchte das Wasser ja gefrieren, dadurch entsteht Wärme und diese Wärme steigt nach oben und dieser Unterschied generiert so zwei bis drei Grad, was oft reicht.
Heike Zeller:
Interessant, da lernt man wieder was dazu, super.
Ja, du hättest natürlich auch einen Award mitbringen können, weil der Martin ist nämlich auch CERES AWARD-Gewinner, Landwirt des Jahres 2023, also der aktuelle. Nochmal von uns herzlichen Glückwunsch zum Gewinn. Das ist sicher auch interessant. Den hast du uns aber nicht mitgebracht, weil die tägliche Arbeit ist ja sicher etwas anderes als ein Award-Gewinner zu sein.
Martin Stiegler:
Das stimmt, ja. Ich bin sehr stolz darauf und freue mich, dass wir den Award natürlich nach Bayern holen konnten, auch auf unseren Betrieb vor allem.
Ich bin jetzt das Aushängeschild vielleicht dafür, aber erarbeitet haben wir uns den in der Familie, mit allen, die uns da immer unterstützt haben. Deswegen setze ich mich da nicht in den Vordergrund.
Heike Zeller:
Kathrin, du hast gesagt, du bist gelernte Landwirtin, aber ich weiß von unseren Vorgesprächen – und wir kennen uns ja auch so – dass das nicht der erste Beruf war, den du gelernt hast. Vielleicht kannst du uns ein bisschen erzählen, wie dein Weg zur Landwirtin war, dem Beruf, den du jetzt ausübst?
Kathrin Schlickenrieder:
Aufgewachsen bin ich ja in der Landwirtschaft. Mein Papa war schon Landwirt und der hat leider 1993 aufgehört mit der Landwirtschaft. Und für mich als weichenden Erben war sowieso klar, dass ich den Hof nicht erben werde, sondern mein Bruder.
Somit habe ich als Erstberuf Schreiner gelernt. Aber ich war immer in der Landwirtschaft verwoben, habe immer als Betriebshelferin oder Urlaubsvertretung für andere Bauern gearbeitet, habe auch immer schon bei der Ernte mitgeholfen, ob bei der Kartoffel- oder der Silage-Ernte beim Fahren. Ich war also immer irgendwo in der Landwirtschaft vertreten.
Aber mein Hauptgeschäft war erst die Schreinerei, dann war ich eine Zeitlang im Metallbau, weil man da mehr verdient hat als mit dem Holz.
Dann habe ich eine Zeitlang als Landschaftsgärtnerin gearbeitet, habe da gepflastert. Aber das war halt nie das Meine. Meins war immer im Stall mit den Tieren, mit den Kühen. Das habe ich immer gerne gemacht und 2013 habe ich dann alles hingeschmissen und gesagt „So, jetzt will ich nicht mehr arbeiten!“ und habe dann nochmal klassisch die Lehre nachgeschoben. Ich habe dann 2015 mit der Landwirtschaftslehre angefangen. Und seitdem muss ich nicht mehr arbeiten.
Heike Zeller:
Das heißt, 2013 hast du die anderen Berufe hingeschmissen und schon in der Landwirtschaft gearbeitet. Dann hast du dich 2015 entschieden, nochmal die Schulbank zu drücken und bist dann auf die Landwirtschaftsschule gegangen.
Kathrin Schlickenrieder:
Ja, genau. Ich war in der Landwirtschaftsschule in München-Riem, habe ganz klassisch die zwei Lehrjahre gemacht. Da ich schon eine Vorlehre hatte, durfte ich mir ein Lehrjahr sparen. Das war in diesem Fall das BGJ, weil noch ein weiteres ganzes Jahr in die Schule zu gehen, wäre in meinem Alter echt… puh… schwierig gewesen.
Heike Zeller:
Da muss man sich zurückschrauben.
Kathrin Schlickenrieder:
Ja, genau. Das war auch ganz nett: Am ersten Schultag habe ich gleich mal zu meinem Lehrer gesagt „Ich bin übrigens nächste Woche nicht da, weil ich in Urlaub fahre.“ Dann hat er gesagt „Nein, Frau Schlickenrieder, Sie haben Schule.“
Da habe ich gesagt „Hey, ich bin 35, ich hab keine Schule!“. Dann sagte er „Doch, Sie haben jetzt wieder Schulpflicht, Sie sind hier Schüler.“
Also man muss da schon wieder reinrutschen, wenn man so „alt“ nochmal eine Lehre macht.
Heike Zeller:
Kathrin, du hast gesagt, seitdem du in der Landwirtschaft komplett arbeitest, musst du nicht mehr arbeiten. Sagst du das unter Berufskollegen auch?
Kathrin Schlickenrieder:
Ja. Jeder, der mich kennt, weiß, ich bin eine absolute Landwirtin. Ich sage immer „ich bin ein alter Bauer.“ Das ist mir nicht nur in die Wiege gelegt worden, sondern das ist einfach mein Leben.
Ich stehe jeden Morgen um halb fünf auf. Ich stehe gerne auf, fahre gerne in meinen Stall zu meinen Tieren, meinen Kälbern. Das ist für mich eine absolute Leidenschaft und keine Arbeit. Deswegen laufe ich auch manchmal Gefahr, etwas zu viel zu arbeiten. Dass der Spaß und die Leidenschaft die körperlichen Kräfte übersteigen, auch das muss man immer ein bisschen im Blick haben, weil ich es eben nicht als Arbeit sehe. Ich sehe es als Privileg, das jeden Tag machen zu dürfen, dass ich mein Leben damit verbringen darf. Es ist schon eine gewisse Gratwanderung, muss man schon sagen.
Heike Zeller:
Martin, wie war dein Weg? Du hast ja keine Ausbildung gemacht, du hast studiert und das Studium zum Landwirt gemacht. Wie war’s denn bei dir?
Ich habe gehört, du hattest dir auch erst einmal etwas anders überlegt und dann bist du doch Landwirt geworden.
Martin Stiegler:
Ich habe lange schon immer mitgearbeitet. Hat auch immer Spaß gemacht, war aber immer eher in der sportlichen Richtung unterwegs. Das hat dann nicht geklappt. Dann habe ich mich erst einmal für die FOS in Triesdorf entschieden, also mit landwirtschaftlichem Bezug. Dann das erste Mal mit 16 im Wohnheim. Da waren ja alle Bauern. Dann sind die Gesprächsthemen natürlich relativ einseitig und dann ist man der Landwirtschaft verschrieben gewesen.
Und dann habe ich mich auch noch für das Studium entschieden. Vor allem das Praxissemester in Oregon war für mich eigentlich der Wegbereiter.
Heike Zeller:
Wie kamst du darauf, ins Ausland zu gehen?
Martin Stiegler:
Mit der Kulturhaselnuss, die mein Vater schon 2006 angepflanzt hatte, waren wir natürlich schon Exoten. Da gab es keine Referenzbetriebe in Bayern, Deutschland oder überhaupt.
Wenn man also diese Richtung einschlagen wollen würde, braucht man natürlich ein gewisses Know-how. Dann hat meine damalige Beraterin Betriebe vorgeschlagen. Ich habe mich dann für einen Betrieb entschieden, der für amerikanische Verhältnisse relativ klein war mit 100 Hektar.
Der war genau an der Oregon State University, die auch das weltweit größte Züchtungsprogramm für Haselnüsse hat. Ich war ein halbes Jahr „gefangen“ nur in der Haselnuss.
Mein Chef, der keine Kinder hatte, hat mir zweimal angeboten, den Betrieb zu übernehmen. Das habe ich zweimal ausgeschlagen. Mittlerweile ist der Kontakt auch nach 15 Jahren abgebrochen.
Aber das sind Erfahrungen, die mich oder uns dahin gebracht haben, wo wir jetzt stehen.
Heike Zeller:
Was hat dich bewogen zurückzukommen und doch hier anzupacken? Hätte es dir in den USA auch gefallen? Wieso bist du dann zurückgekommen, wenn du solche Angebote hattest?
Martin Stiegler:
Es wäre das gemachte Nest gewesen, ein laufender Betrieb, vor allem auch das Know-how wäre da gewesen, auch die Schnittstelle mit der Oregon State University.
Aber ich bin ein Franke oder Bayer und sehr traditionsbewusst. Der Betrieb ist seit 1658 in unserer Hand. Dementsprechend war es für mich auch wichtig, den Betrieb
weiterzuführen und so zu gestalten, dass ich ihn auch dann weitergeben kann, wenn die nachfolgende Generation irgendwann mal möchte. Es war auch für mich als junger Mensch schon der Ansporn, das, was mir in die Wiege gelegt worden ist, weitergeben zu können.
Heike Zeller:
Was begeistert dich dann an der Landwirtschaft? Das Traditionelle hast du jetzt angesprochen und dass es auch eine Familiensache ist. Auch verbunden mit der Landschaft, der Umgebung, wo du herkommst, deiner Heimat.
Was ist noch begeisternd für dich an der Landwirtschaft?
Martin Stiegler:
Ich glaube, es ist auch die Innovation. Ich denke, keine Branche ist innovativer und wandlungs- und anpassungsfreudiger als die Landwirtschaft. Wir müssen ja mit so vielen äußeren Faktoren spielen. Nicht nur mit der Bürokratie, sondern wir müssen auch mit der Witterung, dem Klimawandel, der Marktsituation usw. klarkommen.
Wir werden ja jeden Tag aufs Neue auf den Prüfstand gestellt. Es ist für mich schon eine Bereicherung in dem Beruf, dass du mit einer gewissen Intention deinen Betrieb immer weiterentwickeln kannst und auch musst.
Heike Zeller:
Finde ich spannend, was du sagst. Man sagt ja gerne mal, Landwirtschaft ist konservativ und rückwärtsgewandt und so einfach. Und jetzt sagst du gerade das Gegenteil mit dem Innovativen.
Martin Stiegler:
Also, ich denke, jeder Landwirt hat im Hinterkopf: Ich muss den Betrieb gesund und zukunftsfähig führen, damit ich ihn übergeben kann. Ich glaube, in jedem Landwirt steckt das drin, zumindest in Bayern mit den kleinstrukturierten Betrieben und mit dem Traditionsbewussten. Man kann meines Erachtens keinem Landwirt vorwerfen, dass er nicht zielgerichtet wirtschaftet oder arbeitet.
Heike Zeller:
Kathrin, du nickst.
Kathrin Schlickenrieder:
Ja, sehe ich vollkommen genauso. Bei unserem Betrieb ist es ja so, er gehört mir nicht gehört. Ich sage immer, unseren Hof haben wir nicht von unseren Eltern übergeben gekriegt, sondern von unseren Kindern geliehen.
Also ich versuche schon, unseren Betrieb so zukunftsorientiert weiterzuführen, damit meine Kinder einmal damit weiterarbeiten können und auch Spaß damit haben.
Heike Zeller:
Das heißt also, das in die Zukunft gerichtete ist dann immer schon da. Heutzutage ist ja immer wieder von „Enkeltauglichkeit“ die Rede. Letztendlich ist das in der Landwirtschaft immer schon drinnen, weil man die Kinder und Enkel konkret im Blick hat und nicht nur das Allgemeine. Kann man das so verstehen?
Martin Stiegler:
Wir selber haben noch keine Kinder, aber man wünscht sich natürlich und man weiß auch nicht, wo die Reise hingeht. Es ist ja auch nicht gesagt, dass die nachfolgende Generation den Betrieb übernimmt, wenn sie keine Lust habt. Vielleicht gibt es aber dann einen Jungen, der aus der Landwirtschaft kommt oder landwirtschaftsinteressiert ist und das dann weitermachen will. Da ist man ja nicht gebunden, aber man hat trotzdem ja die Verantwortung mitbekommen, einen Betrieb übernehmen zu dürfen und den dann auch so weiterzuentwickeln, dass er auch weitergeführt werden kann. Von wem, das ist dann der heutigen Zeit geschuldet.
Heike Zeller:
Jetzt habe ich ein Entweder-Oder-Spiel vorbereitet. Das kommt immer ein bisschen vor. Und jetzt bin ich gespannt. Wir fangen bei dir an, Martin:
Lieber Genossenschaftssitzung oder Theaterprobe?
Martin Stiegler:
Theaterprobe.
Heike Zeller:
Warum?
Martin
Weil das Soziale und das Vereinsleben genauso wichtig sind.
Heike Zeller:
Kathrin, Bio-Paprika aus Spanien oder konventionelle Paprika aus Bayern?
Kathrin Schlickenrieder:
Konventionelle Paprika aus Bayern. Definitiv!
Heike Zeller:
Also, du bist eher für die Regionalität als für Bio?
Kathrin Schlickenrieder:
Absolut. Regional steht für mich über Bio. Wissen, wo es herkommt.
Heike Zeller:
Martin, lieber Streit mit den Eltern oder mit der Partnerin?
Martin Stiegler:
Wir streiten nicht.
Heike Zeller:
Ihr streitet gar nicht. Sehr gut. Kathrin, arbeiten, wo andere Urlaub machen oder all incl. auf Mallorca?
Kathrin Schlickenrieder:
Arbeiten, wo andere Urlaub machen.
Heike Zeller:
Das haben wir uns schon fast gedacht, wenn du sagst, dass du gerne in die Arbeit gehst. Martin, Pflanzenschutz oder Umweltschutz?
Martin Stiegler:
Das kann man gut miteinander vereinen. Da muss es auch mehr Aufklärung geben. Pflanzenschutz hat so einen negativen Aspekt, aber man kann durch Pflanzenschutz ganz viel richtig machen, auch für die Umwelt.
Heike Zeller:
Ihr habt ja bei euch auch den Kreislaufgedanken. Ihr habt ja die Hühner und die sind in der Haselnuss und fressen dort gewisse Schädlinge, die die Haselnuss befallen.
Und du setzt auch Pflanzenschutz ein, wo es ihn braucht. Und das Stichwort Klimaböden usw. müsst ihr ja immer mitdenken. Wie macht ihr das?
Martin Stiegler:
Zum einen ist die Kultur sowieso relativ unerforscht in Deutschland. Wir müssen da unsere Erfahrungen sammeln. Wir machen das sehr naturnah, weil wir einfach mit der Sonderkultur von der Klimaverschiebung betroffen sind. Wir sind ein Trockenheitsstandort und müssen uns dementsprechend auch immer anpassen. Durch die ökologische Landwirtschaft, die wir betreiben, haben wir gar nicht so viel Spielraum, aber wir haben trotzdem Möglichkeiten. Die kann man sowohl ins Konventionelle adaptieren, als auch in den ökologischen Landbau. Ich finde, man sollte gar nicht so sehr unterscheiden zwischen Öko und konventionell und Spritzen und nicht Spritzen, sondern man muss da einfach einen gesunden Mittelweg finden.
Das bringt uns alle viel weiter als dieses Schwarz-Weiß-Denken.
Kathrin Schlickenrieder:
Das „oder“ durch „mit“ ersetzen, finde ich. Pflanzenschutz ist Umweltschutz.
Heike Zeller:
Kathrin, Tierwohl oder Wirtschaftlichkeit?
Kathrin Schlickenrieder:
Tierwohl.
Heike Zeller:
Ist es da so einfach?
Kathrin Schlickenrieder:
Ja. Klar, irgendwann muss man auch wirtschaftlich denken, aber das Tierwohl muss im Vordergrund stehen. Wenn man mit Tieren arbeitet, ist man verantwortlich dafür. Deswegen ganz klar erst einmal das Tierwohl.
Heike Zeller:
Dann frag ich nochmal dich. Lieber ein neues Kalb oder eine neue Tätowierung?
Kathrin Schlickenrieder:
Woah, das ist schwierig.
Heike Zeller:
Ha, jetzt hab ich sie doch noch. Ich dachte, beim Tierwohl hätte ich sie, aber nein.
Kathrin Schlickenrieder:
Also, wenn ich mich entscheiden müsste, lieber ein neues Kalb.
Heike Zeller:
Oder vielleicht eine Kalb-Tätowierung?
Kathrin Schlickenrieder:
Die steht tatsächlich sogar an.
Heike Zeller:
Wie schaut denn dann so ein Tag bei dir aus?
Nimm uns mal mit. Also, um halb fünf stehst du auf. Und dann?
Kathrin Schlickenrieder:
Ja, zwischen halb und dreiviertel fünf stehe ich auf. Ich bin ja Betriebshelferin und habe momentan einen Einsatz. Der ist zehn Kilometer weit weg. Dort fahre ich hin, schaue zuerst in mein Roboterprogramm, was so los ist, welche Kühe geholt werden müssen, mache dann das Tagesgeschäft: Kühe holen, Gesundheitskontrolle. Das mache ich so beim Durchschauen, also ob irgendwelche Kühe „hüpfen“ oder ob alles gut ist.
Heike Zeller:
„Hüpfen“ heißt, dass sie mit den Klauen vielleicht nicht…
Kathrin Schlickenrieder:
Ja, genau, dass mit den Klauen etwas nicht Ordnung ist. Dann werden die Kälber gefüttert. Dann wird zwischendurch der Roboter gewaschen. Meistens kommt in dieser Zeit irgendwann meine Chefin, also die Bäuerin, die noch mit auf dem Hof ist.
Dann besprechen wir, was noch zu tun ist. Also das Tagesgeschäft, das noch so nebenbei läuft, wird dann besprochen und peu à peu abgearbeitet.
Meistens bin ich dann gegen 9 Uhr fertig. Dann fahre ich heim und kümmere mich um unsere eigenen Tiere. Momentan haben wir ein Kalb zu füttern. Dann mache ich die Milch warm, gehe dorthin und schaue nach unseren Tieren.
Den Haushalt muss ich auch noch machen. Wir haben doch 140 Quadratmeter Wohnfläche. Da sieht es mit vier Kindern manchmal ganz schön wild aus.
Um 16 Uhr fahre ich wieder in die Arbeit und komme meistens gegen 20 Uhr nach Hause. Dann essen wir noch und ich schlafe meistens gegen 21 Uhr auf der Couch ein oder im Bett bei den Kindern.
Heike Zeller:
Martin, auch von dir würde ich gerne wissen, was geht denn so bei dir von früh bis spät auf eurem Hof?
Martin Stiegler:
Ja, bei mir ist es ähnlich. Ich wache meistens auch vor dem Wecker auf. Meine Frau sagt immer, ich bin bescheuert. Aber ich freue mich immer, in der Früh aufzustehen.
Dann gehe ich ins Büro und freue mich auf meinen ersten Kaffee. Dann E-Mails beantworten. Was steht produktionsseitig an? Dann gehe ich meistens in die Produktion und stelle Nougat her oder röste oder beides parallel.
Dann geht’s raus zu den Hühnern, um zu schauen, ob da alles passt. Das kann ich natürlich auch alles am Computer sehen. Und dann geht es zum Tagesgeschäft über: Manchmal Produkte entwickeln – das ist dann eher im Winter. Im Sommer geht es an die Landwirtschaft, Heu machen, dreschen, vorbereiten und Baustelle… Bei uns ist immer Baustelle.
Heike Zeller:
Ja, das ist der Klassiker.
Martin Stiegler:
Der Betrieb soll eigentlich immer auf Vordermann gebracht werden und das läuft so nebenbei. Und am Abend gegen 18 Uhr reingehen und um 20 Uhr aufs Sofa… und Augen zu.
Heike Zeller:
Nickerchen machen.
Du hast angesprochen, ihr habt die Nüsse, die Hühner, also Tierhaltung, Sonderkulturen, ihr macht Heu, also die klassische Landwirtschaft. Das sind ja ganz verschiedene Betriebszweige.
Ihr beide habt gesprochen von Computern in der Produktion, da wird sicher auch einiges an Maschinen sein. Du hast auch vom Roboter gesprochen, also Melkroboter vermute ich, vielleicht auch ein Futter-hinschiebe-Roboter oder ein Spaltenroboter. Es gibt also einiges an Technisierung in der Landwirtschaft. Wir wollen ja auch Leute informieren, die in der Landwirtschaft nicht so bewandert sind.
Es geht nicht mehr alles per Hand, sondern es ist auch durchaus viel Technik im Einsatz, oder?
Martin Stiegler:
Definitiv. Aber je mehr Technik es wird, desto mehr freut man sich, wenn man mal wieder etwas mit den Händen machen darf.
Aber man muss da mit der Zeit gehen. Gerade wenn ich mir unseren Pferdestall anschaue. Den haben wir vor zwei Jahren umgestellt. Vorher hatten wir 30 Pensionspferde in Boxenhaltung. Das heißt, du warst immer gebunden. In der Früh füttern, dann fressen lassen, dann auf die Koppel lassen und am Abend waren es zwar nur 20 Minuten mit dem Reinholen und Füttern, aber du warst immer zeitlich gebunden. Und jetzt haben wir auf einen HIT-Aktivstall umgestellt. Die sind 24 Stunden am Tag auf der Koppel. Da haben wir die Ställe schon mit eingebunden, dass sie Liegeflächen und alles haben. Und eben Futterautomaten. Jedes Pferd hat einen Transponder, wo beim Raufutter die Zeit hinterlegt ist. Wenn es Anspruch hat, fährt der Schieber runter. Dann geht es in die Kraftfutterstation. Wir sparen so 50 bis 60 Prozent Arbeitszeit. Es ist zwar mehr Managementzeit, wenn man neue Tiere eingewöhnen muss. Durch das Programm hat man auch eine Früherkennung, wenn die Pferde nicht so gut fressen. Da sieht man, was sich das Pferd schon alles abgeholt hat. Das sind alles technische Fortschritte, wovon jeder profitiert. Wir in der Flexibilität und in der Arbeitskapazität und auch unser Kunde bzw. der Reiter, weil wir das Management über den Computer in der Hand haben, wenn sich das Pferd nicht alles abruft.
Heike Zeller:
Ja, damit man überhaupt so viel weiß, wie ihr hier gerade zeigt, muss man ja auch eine Ausbildung machen. Man kommt ja nicht als Landwirtin oder Landwirt auf die Welt. Wir haben schon angesprochen, du hast die Ausbildung gemacht. Die duale Ausbildung ist bei uns das Übliche, das heißt, du warst auf dem Lehrbetrieb und in der Schule?
Kathrin Schlickenrieder:
Genau. In der Landwirtschaft ist die klassische Ausbildung drei Jahre. Ein Jahr ist das Berufsgrundschuljahr, das BGJ, in dem du nur in der Schule bist und die Grundlagen kennenlernst. Das konnte ich mir sparen, da ich bereits vorher Schreiner als Beruf hatte. Dann gibt es zwei Betriebsjahre. Da ist in der Landwirtschaft das Besondere, dass du jedes Jahr einen anderen Betrieb brauchst. Du brauchst also für deine Lehre zwei Lehrherren. Das ist etwas Besonderes, finde ich aber gar nicht schlecht, weil du ganz viele Betriebszweige anschauen kannst.
Das ist schon eine tolle Ausbildung.
Heike Zeller:
Zu den unterschiedlichen Betriebszweigen kommen wir später noch.
Du hast den Wechsel der Ausbildungsbetriebe angesprochen, manche mache ja auch daheim die Ausbildung, die „Elternlehre“ und dann die „Fremdlehre“ woanders.
Was ist man dann nach Abschluss? Gesellin oder wie heißt das?
Kathrin Schlickenrieder:
Ja, Landwirtin, Landwirtschaftsgesellin, genau.
Heike Zeller:
Dann hast du ja weitergemacht und bist dabei nicht stehengeblieben.
Kathrin Schlickenrieder:
Eigentlich wollte ich nichts mehr machen, eben mit vier Kindern und viel Arbeit. Aber der Drang zu lernen ist schon immer in mir drin und ich finde auch so wichtig, in der Landwirtschaft nicht stehenzubleiben. Wie Martin schon sagte, es gibt so viele Sachen, die sich jedes Jahr ändern. Die Innovationen, die Technik bleiben ja nicht stehen. Und sich da weiterzubilden, finde ich so wichtig. Auch im Büro. Du bist ja Unternehmer und nicht nur Arbeiter. Du führst ein Unternehmen und musst dich auch wirtschaftlich mit Dingen auseinandersetzen. Da war mir irgendwann klar, dass ich die Winterschule mache. Also klassisch Winterschule und dann Meister.
Heike Zeller:
Winterschule heißt wahrscheinlich, du hast im Winter Schule. Passend zur Landwirtschaft, dass man im Sommer eher draußen ist und mehr zu tun hat.
Aber bei euch ist die Hauptzeit eher im Winter, hast du gesagt, da stehst du früher auf…
Martin Stiegler:
Bei uns ist das tatsächlich komplett verschoben, da ist es der Winter, ja.
Heike Zeller:
Durch die Direktvermarktung dann?
Martin Stiegler:
Ja, die Haupt-Nusssaison-Ernte ist Ende September, Anfang Oktober. Das hat sich auch klimatisch vier Wochen nach hinten verschoben. Nusszeit ist bis Weihnachten, da gehen 80 Prozent über die Ladentheke. Die geernteten Nüsse müssen in dem kurzen Zeitraum verarbeitet und marktfähig auf den Tisch gebracht werden.
Heike Zeller:
Da hat es sich dann vorschoben, interessant. Also du könntest keinen Meister mehr machen, weil du im Winter keine Zeit hättest.
Aber du warst in der Winterschule oder bist es noch.
Kathrin Schlickenrieder:
Ja, momentan habe ich Sommersemester, also zweites Semester.
Heike Zeller:
Schön, dass die Winterschule auch ein Sommersemester hat.
Kathrin Schlickenrieder:
Ja, ganau. Das finde ich auch ganz schrecklich, weil man im Sommer als klassischer Landwirt ohne Sonderkulturen gar keine Zeit hat, weil man alle vier Wochen Richtung Silieren und Mähen denken muss. Dann Getreideernte. Es ist schon im Sommer viel los. Da muss man sich diese 14 Schultage, die das Sommersemester hat – 14 Tage hört sich nicht viel an –, die muss man sich schon „stehlen“.
Heike Zeller:
Gut, dann bist du Landwirtschaftsmeisterin. Es gibt ja auch noch den Techniker, was ist das?
Kathrin Schlickenrieder:
In Landsberg am Lech ist eine Technikerschule. Das geht eher so Richtung Dienstleistung. Wenn du keinen eigenen Betrieb hast oder zu einer Saatenfirma gehen möchtest, ist der Techniker gar nicht schlecht. Der klassische Meister ist eher gut für diejenigen, die einen eigenen Betrieb haben, weil du da wirklich Unternehmensführung lernst. Also eigentlich hätte ich den Techniker machen müssen…
Heike Zeller:
Aber was dich halt auch interessiert, oder?
Kathrin Schlickenrieder:
Für mich ist der Meister schon etwas, das einen auszeichnet. Da bist du was.
Ich glaube, es ist wichtig, dass man nicht stehenbleibt, dass man sich immer weiterbildet und dabeibleibt.
Heike Zeller:
Und wo kann man sich da informieren? Wo habt ihr euch informiert? Also du hast studiert. Aber du hast dich ja mit der Ausbildung auch auf den Weg gemacht. Wo kann man sich erkundigen?
Martin Stiegler:
Im Amt für Landwirtschaft zum Beispiel. Die Beratungsstellen sind da ja offen.
Kathrin Schlickenrieder:
Ein Ausbildungsberater weiß oft die ganzen Werdegänge. Es will ja auch nicht jeder Meister werden.
Heike Zeller:
Die Landwirtschaftsämter gibt es ja fast in jedem Landkreis, in allen Regionen Bayerns auf jeden Fall. Da kann man sich dann informieren, wenn man die verschiedenen Wege zu Landwirtin oder Landwirt wissen möchte.
Kathrin, da hast gesagt, du bist Landwirtin geworden ohne eigenen Hof. Das ist ja auch etwas, was viele Leute gar nicht auf dem Schirm haben. Kannst du das empfehlen?
Kathrin Schlickenrieder:
Ich fände es sogar toll, wenn sich mehr Leute von außerhalb der Landwirtschaft für die Landwirtschaft entscheiden würden. Es ist ganz klar, die landwirtschaftlichen Betriebe werden immer größer und die brauchen Fachkräfte.
Klar, zum Ackern kann ich auch den 16-jährigen Nachbarsbuben auf den Schlepper hocken, der den Pflug auf- und einsetzen und auf- und abfahren kann, das ist nicht so wild. Aber die fachlichen Dinge: Wann ist der Saatzeitpunkt? Was ist mit den Kühen fütterungstechnisch? Leute, die sich im Stall auskennen, mit der Klauenpflege, mit der Kuhration, sich um die Kuh auskennen, sind so wichtig.
Fachkräfte in der Landwirtschaft sind Mangelware und mega wichtig. Da bräuchte es Leute von außerhalb. Ich weiß, dass viele Leute sagen: „Ich wäre immer gerne Landwirtin geworden, das ist so toll und ich würde so gerne mit Kühen arbeiten, aber ich habe eben keinen eigenen Hof.“ Denen sage ich immer ganz klar: „Warum werdet ihr nicht Landwirtin oder Landwirt? Macht es! Ihr könnt alle in der Landwirtschaft arbeiten. Wir haben für alle Jobs.“
Heike Zeller:
Stimmst du da zu, Martin? Braucht es Leute von außerhalb oder sagt ihr einfach die Familie?
Martin Stiegler:
Ich finde das sehr gut und oft ist es auch so: Wenn du von außerhalb kommst, hast du ja schon das Grundinteresse. Du willst das lernen und in die Branche einsteigen. Das ist schon eine richtig gute Basis, um das Vertrauen der Landwirte zu gewinnen.
Ich sehe es aus eigener Erfahrung. Die Fachkräfte, die mich zum Beispiel ersetzen oder unterstützen könnten in der Planung, beim Ein- und Ausstallen der Hühner, beim Pflanzenschutz der Haselnüsse oder bei Fruchtfolgegestaltungen, fehlen mir. Und es ist auch ganz schwierig, kompetentes Personal zu bekommen. Das ist hier eine offene Bewerbung.
Heike Zeller:
OK, wir werden euch auch noch verlinken. Ihr seid ja beide auf Social Media, du mit dem Betrieb, du als Kathrin auch. Da könnt ihr auch mal auf den Online-Kanälen der beiden reingucken. Sehr gut.
Ich möchte ein „Betriebszweig-Ping-Pong“ mit euch spielen. Es gibt ja sehr viele Betriebszweige. Wir haben ja schon einige angesprochen. Du hast auch einige bei dir auf dem Betrieb. Du hattest auch schon mit verschiedenen zu tun.
Vielleicht könntet ihr immer abwechselnd einen Betriebszweig sagen. Ich fange mal easy peasy an: Milchwirtwirtschaft.
Kathrin Schlickenrieder:
Bullenmast.
Martin Stiegler:
Legehennenhaltung.
Heike Zeller:
Sonderkulturen.
Kathrin Schlickenrieder:
Aronia.
Martin Stiegler:
Haselnuss.
Heike Zeller:
Ich sag noch: Events
Kathrin Schlickenrieder:
Direktvermarktung.
Martin Stiegler:
Diversifizierung allgemein.
Heike Zeller:
Was heißt das?
Martin Stiegler:
Das Vorhandene auf dem Betrieb zu nutzen und auszuweiten, z. B. Betriebsführungen zu ermöglichen.
Heike Zeller:
Ackerbau.
Kathrin Schlickenrieder:
Soziale Landwirtschaft.
Heike Zeller:
Was ist das denn?
Kathrin Schlickenrieder:
Es gibt verschiedene Soziale Landwirtschaftsprojekte, die seit ein paar Jahren anlaufen. Es gibt z. B. Senioren- oder Behinderten-WGs auf den Höfen, was ich ganz spannend finde.
Heike Zeller:
Ich glaube, Kindergarten…
Kathrin Schlickenrieder:
Ja, absolut. Bauerhofkindergarten oder Integrationskindergarten ist auch alles Soziale Landwirtschaft.
Heike Zeller:
Suchtkranke
Kathrin Schlickenrieder:
Ja, genau.
Heike Zeller:
Ihr beide seid ja auch in der Öffentlichkeitsarbeit tätig. Du zeigst auf Instagram deine Arbeit und auch dich privat, also der Mensch Kathrin, der auch Landwirtin ist. Du bist mit deinem Betrieb auch klar im Internet vorhanden, auch über den CERES AWARD nochmal an die Öffentlichkeit getreten.
Welche Rolle spielt das, auch die Akzeptanz der Landwirtschaft im Rest der Gesellschaft? Wie wichtig ist das für euch im Alltag?
Martin Stiegler:
Unser Betrieb war durch die Sonderkulturen immer schon attraktiv für Fernsehbeiträge zum Beispiel. Wir haben uns da nie verschlossen gezeigt. Das ist sehr zeitintensiv, wenn ein Kamerateam da ist, aber das ist halt alles kostenlose Werbung und Aufklärung in der Landwirtschaft und Kundenbindung.
Deswegen haben wir uns immer gezeigt. Nicht weil wir unbedingt ins Fernsehen wollen, sondern weil wir einfach den Betrieb weiterentwickeln wollen. Und das kann man am besten über das Medium Fernsehen oder Öffentlichkeit. Deswegen ist das für uns ganz wichtig.
Heike Zeller:
Welche Erfahrungen hast du gemacht als Influencerin?
Kathrin Schlickenrieder:
Ich bezeichne mich nicht als Influencer. Dafür habe ich den Arsch ein bisschen zu weit unten. Aber ich finde es ganz wichtig, die Leute heutzutage mitzunehmen. Essen ist etwas Emotionales. Das war es schon immer und wird es immer sein. Gerade in meinem Thema Fleisch, wo ein Tier für unseren Braten oder unsere Wurst sterben muss, ist das natürlich eine hochemotionale Geschichte. Und die Leute wollen einen Einblick. Früher war das noch einfacher. Da war zumindest noch im Dorf ein Landwirt vorhanden mit Milchvieh, wo die Kinder nach der Schule hingelaufen sind. Die ganzen Leute in der Stadt haben so etwas ja nicht mehr, sie haben keine Berührungspunkte mehr mit der Landwirtschaft, aber selbst die wollen einen Einblick haben und den müssen wir ihnen geben. Sonst suchen sie sich irgendwelche Halbwahrheiten, wie z. B. „Der Stier hat Hörner und die Kuh hat keine.“
Das sind Sachen, die für mich total irre klingen, aber das sind so verbreitete Sachen, die die Kinder heutzutage glauben. Denen müssen wir moderne Landwirte entgegenwirken, indem wir unsere Höfe öffnen und sagen: „Schaut her, diese Kuh hat Hörner und sie gibt Milch. Und das hat nichts damit zu tun, ob sie Hörner hat oder nicht. Und das Grüne auf der Wiese ist nicht nur Gras. Das muss gepflegt werden, da steckt Arbeit dahinter.“ Du musst das den Leuten zeigen, sie an die Hand nehmen und mitnehmen.
Dann verstehen sie uns, warum wir manche Sachen machen oder auch, dass ein Tier für ihre Wurst sterben muss. Das ist vielen gar nicht mehr bewusst, dass auch für die Wurst ein Tier sterben muss und nicht nur für das Fleisch an sich, sondern auch für Produkte aus Fleisch.
Da versuche ich, die Leute mitzunehmen und ihnen zu zeigen, dass wir unsere Tiere lieben können, auch wenn wir sie dann am Schluss schlachten. Dass es kein Widerspruch ist: Liebe zum Tier und es danach zu essen.
Heike Zeller:
Das heißt letztendlich, dass der landwirtschaftliche Beruf das ganze Leben beinhaltet, von Anfang bis Ende. Das ist ja bei der Tierhaltung ganz klar, aber bei der pflanzlichen Produktion ist es ja auch so, vom ersten Samen bis zur fertigen Frucht oder Ernte, in deinem Fall die Nuss.
Weil die Leute auch immer auf einer Sinnsuche sind, würde ich gerne von euch wissen, welchen Sinn euch euer Beruf gibt.
Martin Stiegler:
Für mich ist das die völlige Erfüllung und der Sinn dahinter ist, meine Leidenschaft und die Natur in Einklang zu bringen. Ich kann das gar nicht beschreiben. Also der Sinn dahinter ist immer die Nachhaltigkeit, weil man es ja für den Nächsten wieder macht. Und das ist der Sinn.
Kathrin Schlickenrieder:
Es erdet einen einfach.
Martin Stiegler:
Ja. Erden.
Kathrin Schlickenrieder:
Man kann in der Landwirtschaft nicht wirklich abheben, sondern du musst ein Stück weit bodenständig bleiben. Du bist nie Einzelkämpfer.
Martin Stiegler:
Du wirst von selbst geerdet. Bei einer schlechten Ernte bist du wieder auf dem Boden der Tatsachen. Das sind teilweise Einflüsse, die du nicht beeinflussen kannst. Das erdet dich halt richtig, weil du mit diesen Einflüssen umgehen musst. Nicht die Natur passt sich an dich an, sondern du musst dich an die Natur anpassen. Das ist schon der Sinn dahinter. Wenn du versuchst, die Pflanzen oder Tiere zu verstehen, kannst du so viel auf den Menschen oder dich selbst und deinen Körper übertragen. Und das ist etwas, was wir in der Gesellschaft vergessen.
Heike Zeller:
Dass man sozusagen auf das reagieren muss, was einem die Natur vorsetzt. Wir haben am Anfang von der Innovation gesprochen. Ist es dann auch der Mehrwert, den die Landwirtschaft auch für den Rest der Gesellschaft bringt?
Ich sage eigentlich nicht gerne Landwirtschaft und Gesellschaft, weil die Landwirtschaft ja ein Teil der Gesellschaft ist.
Ist es dann das, was die Landwirtschaft an den Tisch mitbringt, wenn wir die Gesellschaft als große Tischgesellschaft sehen? Ist es das Nachhaltige, die Generationen, das Leben? Was ist es für euch?
Martin Stiegler:
Eigentlich kannst du das nicht in Sparten unterteilen. Wir haben sowohl den gesellschaftlichen als auch den sozialen Aspekt. Wer ist da bei Unwetterkatastrophen? Es sind die Landwirte. Ich will das jetzt nicht in den Fokus stellen, dass wir da sind, sondern das ist eine Selbstverständlichkeit. Das ist das Soziale, das einen Landwirt ausmacht, auch zu helfen. Genauso, wenn man auf das Wetter reagieren muss, pflanzenbaulich. Jetzt haben wir dieses Jahr ein feuchtes Jahr, dann musst du halt einmal öfter mit der Spritze raus. Das ist so, aber so sichere ich doch die Ernährung von Jedem. Wenn ich es aus dem Ausland importiere, weiß ich ja gar nicht, welche und wie viele Pflanzenschutzmaßnahmen da ausgebracht worden sind, weil dort die Standards ganz andere sind.
Wir müssen dieses Wir-Gefühl wieder zusammenbringen, das wir bei der EM so schön geschaffen haben, und vielleicht in Landwirtschaft, Gesellschaft und Konsumverhalten übertragen können.
Heike Zeller:
Das finde ich ganz spannend, weil meine Frage das mitgeführt hat, gar nicht an das grundständige Essen zu denken. Man redet immer von Mehrwert usw., aber eigentlich ist ja der Grundwert das Nahrungs- und Lebensmittel.
Kathrin Schlickenrieder:
Ja, es ist einfach ein großes Ganzes. Es ist ja nicht nur das Essen, sondern auch unsere Kulturlandschaft. Wenn ich da an unsere Almbauern denke, die die Almen bewirtschaften und sauber halten, jeden Tag schwer für die Artenvielfalt arbeiten. Wo auch die Städter auf die Almen fahren und sich erholen können. Also es ist das große Ganze, was die Landwirtschaft ausmacht.
Heike Zeller:
Auf vielen Ebenen.
Vervollständigt bitte diese Sätze: Landwirtschaft ist für Quereinsteiger…
Kathrin Schlickenrieder:
…auf jeden Fall ein Blick in die Zukunft.
Heike Zeller:
Landwirtschaft eignet sich für alle, die…
Martin Stiegler:
…interessiert sind, an und mit der Natur zu arbeiten.
Heike Zeller:
Mein lustigstes Erlebnis in der Ausbildung war…
Martin Stiegler:
In der Ausbildung war das lustigste Erlebnis: Da saß ich auf dem Traktor und hatte das Steuergerät nicht entlastet. Mein damaliger Chef wollte es herausziehen, was nicht ging. Dann habe ich es entlastet, während er gezogen hat. Dann hat es ihn so dermaßen hingehauen. Das war in der ersten Woche, glaube ich. Ich konnte mir das Lachen nicht verkneifen und habe rausgebrüllt. Na ja, das war nicht der beste Start, aber, ich glaube, er hat es am Ende des Tages auch verstanden.
Heike Zeller:
Konnte er mitlachen?
Martin Stiegler:
Zuerst nicht.
Heike Zeller:
Später dann.
Mein peinlichstes Erlebnis in der Ausbildung war…
Kathrin Schlickenrieder:
Peinlich war sicher, als ich die ersten Male Klauenpflege gemacht habe und ich den Hinterfuß der Kuh anheben wollte. Dann hat sie mich erst von oben bis unten vollgeschissen. Ich war also von Kopf bis Fuß voller Kuhkacke. Schließlich bin ich auch noch nach hinten gestürzt, so dass ich auch noch voll in die Kuhscheiße gefallen bin. Ich war also von oben bis unten „paniert“ mit Kuhscheiße. Und das schon am Vormittag.
Heike Zeller:
Ich hoffe, in der Nähe war eine Dusche.
Kathrin Schlickenrieder:
Ja, Gott sei Dank gab es dort fließend Wasser.
Heike Zeller:
Der Grund für eine Ausbildung in der Landwirtschaft ist…
Kathrin Schlickenrieder:
…für jeden etwas anderes. Für mich war es einfach die Leidenschaft, mit Tieren und der Natur zu arbeiten und da auch in Kreisläufen und in die Zukunft zu denken.
Heike Zeller:
Was ist für dich der Grund für eine Ausbildung in der Landwirtschaft?
Martin Stiegler:
Für mich ist es, eine Basis zu schaffen, dass alle auf demselben Level arbeiten können. Das kann man ja noch fachspezifisch vertiefen. Und der Grund ist einfach: Wenn ich an der Zukunft mitgestalten will, dann ist Landwirtschaft der Beruf, in dem man das am besten ausüben kann.
Heike Zeller:
Ich hoffe, dass jetzt ganz viele da draußen sagen „Ich will auch Kühe haben. Ich will auch Haselnüsse, Hühner, Pferde und alles Mögliche haben.“ und dass wir Leute auch überzeugt haben, eine Ausbildung in der Landwirtschaft in Erwägung zu ziehen oder es sich zumindest einmal anzuschauen. Ich denke, man kann auch in die Landwirtschaft reinschnuppern, ohne gleich eine Ausbildung zu machen, oder?
Kathrin Schlickenrieder:
Absolut. Also bei uns kann Jeder, der sich interessiert, einen Tag oder eine Woche mitlaufen oder ein Praktikum machen. Das würde ich sowieso Jedem ans Herz legen, auch in der Schule. Schaut euch Berufe für Draußen an. Es muss nicht unbedingt Landwirt sein, aber die Grünen Berufe. Es macht unheimlich Spaß, sich dafür Praktikumsstellen zu suchen.
Heike Zeller:
Und ihr nehmt auch Leute? Du hast ja vorhin schon die Stellenanzeige gemacht. Aber nehmt ihr auch Leute, die reinschnuppern oder Praktika machen wollen?
Martin Stiegler:
Ja.
Heike Zeller:
Also man kann in verschiedene Sachen reinschnuppern, verschiedene Ausbildungen machen. Das haben wir alles schon gesagt. Informieren kann man sich bei den Ämtern, im Internet natürlich auch. Da werden wir euch Sachen in den Shownotes verlinken, sowohl unter dem Video auf YouTube, als auch unten im Text, wenn ihr uns nur hört.
Wie geht’s denn bei euch weiter? Willst du noch andere Nüsse anbauen oder habt ihr das schon? Wirst du dann mit deinem CERES AWARD Vortragsredner werden? Was haben wir noch von dir zu erwarten, Martin?
Martin Stiegler:
Wir wollen jetzt nicht unbedingt größer werden und wachsen, sondern das, was wir machen, gut machen und optimieren und eher auch in Richtung Aufklärung, Betriebsführungen usw. gehen und ein bisschen ausweiten. Da sind wir auch gerade dran und haben ein Projekt in der Planung, das wahrscheinlich auch bald vorgestellt werden wird. Das hat mit Energiegewinnung zu tun, also über den Haselnüssen eine Agri-PV-Anlage, darunter die Hühnerhaltung. Das heißt, Energiegewinnung, Pflanzenbau, Tierhaltung auf einer Fläche, ohne dass es Flächenfraß gibt. Unsere Fläche ist unser Kapital und die dürfen wir nicht zupflastern oder zubetonieren. Das wollen wir weiterentwickeln.
Heike Zeller:
Auch ein ganz spannendes Thema in Bezug auf Landwirtschaft und Nachhaltigkeit: Der Flächenverbrauch, der weder der Landwirtschaft noch der Gesellschaft guttut.
Kathrin, wie geht’s bei dir weiter?
Kathrin Schlickenrieder:
Durch die Winterschule habe ich momentan eher den Tunnelblick Richtung Wirtschafter, dann Richtung Meisterprojekt, klar. Das höhere Ziel ist, mich dann in zwei Jahren Meisterin nennen zu dürfen. Das ist für mich ein ganz großes Privileg. Dann unseren Hof noch etwas voranzubringen, vielleicht Richtung Soziale Landwirtschaft, was auch wieder Leute und die Gesellschaft mit auf den Hof bringt und die Landwirtschaft mit der Gesellschaft verbindet, den Hof weiter zu öffnen. Ansonsten meinen Betriebshelferjob jeden Tag so gut ich kann zu machen, damit die Bauern, die ich im Falle von Krankheit oder Unfall vertrete, wieder gesund werden können. Das ist ja meine Hauptarbeit, Leute zu vertreten, die krank sind und die sich dann auf ihre Genesung konzentrieren können.
Heike Zeller:
Die Entlastung auf allen Ebenen.
Ja, ich bedanke mich bei euch ganz, ganz herzlich für diese Einblicke in euren Werdegang und eure Tätigkeit in eurem Traumberuf.
Ja, liebes Publikum, wir sind am Ende unseres Podcasts angekommen. Wie schon gesagt, findet ihr alle Informationen und wo ihr euch noch über die Landwirtschaft informieren könnt, in den Shownotes.
Und wenn ihr bei uns weiter reinhören wollt, der nächste Grüne Beruf ist quasi schon auf dem Weg ans Mikrofon. Mehr verraten wir natürlich noch nicht, aber bleibt dran, schaut rein, hört rein. Wir freuen uns auf euch. Mal schauen, in welchem Grünen Beruf wir uns wiedersehen. Bis dahin.
Outro:
Land.Schafft.Bayern – Der Podcast
Eine Produktion des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft, Forsten und Tourismus.
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